Eine Anfrage

Ich bekomme eine Anfrage.
Ich sage zu.
Zehn Minuten später eine Nachricht:
“Hat sich leider schon erledigt.”
Warum “leider”? Soll es nicht einfach nur
für alle erfreulich sein
wenn Aufträge erledigt werden?
Welcher hinterhältige Dämon hat sich da in unser Gespräch eingeschlichen? Wer
hat sich leider schon erledigt?

Soll ich denn trauern, dass jemand anderes die Arbeit getan
die ich hätte machen können?
Entweder es hat tatsächlich jemandem Leid zugefügt
und zwar soviel, dass dieses Leid Ausdruck verliehen werden musste
in der von mir empfangenen Nachricht.
In diesem Fall kann man behaupten, dass der Auftrag hätte vermieden werden müssen, aber
das trifft nicht zu, denn es –
hat sich leider schon erledigt.

Oder aber dieses Leid wird als etwas betrachtet, das man
gedankenlos erwähnt, während der Absender eigentlich durchaus
Freude empfindet des erledigten Auftrags wegen.
In diesem Fall aber könnte es dem Empfänger jener Nachricht
als Hohn und Verspottung vorkommen.
Macht man sich etwa lustig über ihn?
Und schickt ihm aus Schadenfreude die Nachricht:
Hat sich leider schon erledigt.

Und du, Empfänger, hast Pech
Dass du den Auftrag nicht machen musstest
Dass du nicht für uns arbeiten musstest
Das teilen wir dir mit, Erniedrigter
Du bettelst nicht um Brot sondern um Arbeit
Wo ist deine Ehre? Weisst du denn nicht,
dass es Arbeitskraft im Überfluss gibt
und dass sie bald überflüssig ist? Ja, es
hat sich leider schon erledigt.

Weisst du denn nicht, dass an deiner Stelle
eine Handvoll Erniedrigte hoffen, den gleichen Auftrag
von uns zu erhalten? Unter ihnen ist einer, der hat ihn bekommen
Für ihn ist es nicht “leider”! Ihm
schreiben wir gleich “Herzlichen Glückwunsch!”
Er darf sich freuen, denn er hat “es” geschafft.
Aber du nicht. Du sollst ihn hassen. Aber dein Hass –
Hat sich leider schon erledigt.

Denn es gibt in der Welt des Präkariats
nur ein absolutes Verbot: sich nie mit dem
Anderen, dem Fremden, dem Nebenbuhler – solidarisch zu erklären.
Dass du anfängst, dich und ihn als Teil eines großen Ganzen
zu betrachten. Denn ein großes Ganzes kann das Kapital
dazu zwingen, nur noch Mittel zu sein.
Und das, verstehst du, das ist das größte Sakrileg.
Kannst du dir ausdenken, was für eine Strafe es dafür gibt?

Es hat sich leider schon erledigt.

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